In der kalten Jahreszeit träumt man oft von einem Garten, den man sich mit ins Haus nehmen kann. Natürlich gibt es den Ersatz, so man genügend Platz hat, mit reichlich Zimmerpflanzen. Doch was, wenn der Platz beengt und somit die Entspannung im Garten nur im Sommer stattfinden kann? Hier kann ein sogenannter Indoor-Trockenlandschaftsgarten Abhilfe schaffen. Die Idee ist an die japanischen ZEN-Gärten angelegt und kann für den Besitzer ein äußerst reizvoller Helfer zur geistigen Entspannung werden.

Was steckt dahinter …

Wie bei jedem Garten, so steckt auch hier eine eigene Philosophie dahinter – und dieser sollte in diesem Fall auf alle Fälle ein wenig Beachtung geschenkt werden, wenn man das Teil wirklich gewinnbringend nutzen möchte. Deshalb hier eine kleine Einführung …

Der in Japan bedeutende Zen-Buddhismus entstand in China unter dem Namen Ch’an Meditation. Der Buddhismus kam im 1. Jhdt. n. Chr. nach China und traf dort auf starken Widerstand des Konfuzianismus. Im Jahr 526 n. Chr. kam Bodhi­dharma, der 28. Patriarch einer indischen Medita­tionssekte, nach China und gründete die erste Ch’an-Schule. Seine Bewegung wuchs und wurde gegenüber dem Mahayana-Bud­dhismus immer mehr eine eigen­ständige Größe. Im 12. Jhdt. ge­langte der Gedanke nach Japan.

Im japanischen Zen steht wie im chinesischen Ch’an die Meditation nach festen Regeln im Mit­telpunkt. Sie wurde vor allem vom Krie­geradel der Sa­murai als Weg zur Selbstdisziplin geschätzt. Ein wichtiger Weg zur Erleuchtung   satori ist zazen   die Meditation im Lotossitz.

Ein weiteres Hilfsmittel auf dem Weg des Zen sind die Rätselfragen koan. Diese Rätsel, auf die es keine Antwort gibt, verändern das Denken des Zen Schülers und helfen ihm so auf dem Weg zur Er­leuchtung. Typische koans sind z. B.

  • „Wenn Du auf der Straße einen triffst, der die Wahrheit erlangt hat, darfst Du an ihm weder spre­chend noch schweigend vorübergehen. Nun über­lege, wie Du ihm dann begegnen willst?“
  • „Wenn beide Hände zusammenschlagen, so entsteht ein Ton. Nun horche auf den Ton der einen Hand.“

Diese koans bringen das Denken an den Rand des Absurden, wobei es völlig sinnlos ist rationale Antworten zu suchen. Es kommt somit zu unge­heuren Anspannungen des Geistes, die ausgehalten werden müssen. Zazen und koans dürfen nur unter strenger Aufsicht eines Zen-Meisters angewendet werden.

Rationalismus oder Intellektualismus werden abge­lehnt – Zen ist intuitiv. Der Zen Buddhismus hin­terläßt deutliche kulturelle und geschichtliche Spuren. Als bedeutender sichtbarer Niederschlag der Zen-Haltung fallen ganz bestimmte Übungen auf, die keineswegs nur als Techniken verstanden werden dürfen.  Dazu zählen etwa Judo, Ikebana, Landschaftsma­lerei, Kalligraphie, Bogenschießen, Schwertübun­gen und Gärtnerei.

Steine spielen im japanischen Garten insgesamt eine dominierende Rolle. Dies trifft für alle Phasen seiner Entwicklungsgeschichte zu. Der Weg zum eigentlichen Steingarten, also einer in sich ge­schlossenen Anlage ohne Wasser in Form eines fließenden Baches und eines Teiches, war ein sich über Jahrhunderte erstreckender evolutionärer Pro­zeß. Der Trocken­landschaft-Garten ( Ka­resansui) hat sich in diesem Prozess durch zuneh­mende Verselbstständi­gung trockener Gartenele­mente aus dem Teichgar­ten heraus entwic­kelt. Steine haben überdies durch ihre materialbe­dingte Unverän­derlichkeit gegen­über pflanzlichen Ele­menten des Gartens eine herausgehobene Stellung. In ihnen vor allem manife­stiert sich die bleibende kreative Leistung des Gartenschöpfers.

Der Begriff Karesansui taucht in der Literatur zum erstenmal im Sakutei-ki auf. Diese Aufzeich­nung über die Errichtung von Gärten entstand ge­gen Ende der Heian-Zeit ( Ende 12. Jh.) und faßt die Ausdrucksmöglichkeiten und Techniken des damals vorherrschenden großflächigen Teichgar­tens im Stil des Shinden-zukuri repräsentativer Palast-Stil zusammen. Auch als dieser Stil längst durch andere abgelöst war, blieb das Sakutei-ki noch für Jahrhunderte das klassische Anleitungs­buch der japanischen Gartenkunst.

Ziemlich am Anfang dieser Schrift heißt es über die Trockenlandschaft: „Es kommt vor, dass man Steine an einer Stelle setzt, wo es weder einen Teich noch einen Wasser­lauf gibt, dies nennt man Karesansui.“

Im Anschluss an diese Definition werden detailliert die Möglichkeiten aufgezählt, wo man an den ver­schiedensten Stellen einer großflächigen Teichgar­ten-Anlage solche Karesansui-Zonen anlegen kann. Diese im Sakutei-ki erwähnte Trockenland­schaft noch keine eigenständige Gartenform, son­dern lediglich trockene Segmente innerhalb der tradierten Form des Teichgartens. Erst später wurde daraus der Gattungsbegriff für eine eigen­stän­dige Ausdrucksform des japanischen Gartens.

Die freibleibenden Flächen zwischen den verschie­denen Gebäuden einer Zen-Tempelanlage wurden im Stil des Trockenlandschaft-Gartens gestaltet, wobei der Hauptgarten in der Regel an der Front­seite des Hauptgebäudes lag. Diese Gartenflächen inmitten der Tempelanlage bilden einen Teil der alltäglichen Umwelt der Zen-Mönche. Sie sind aber auch und vor allem ein Teil seiner Arbeits­welt, denn körperliche Arbeit ist ein wesentliches Element im Leben eines Zen-Mönches, und die Trockenlandschaft-Gärten bedürfen intensiver Pflege. Sie müssen ständig saubergehalten werden, Bäume und Büsche sind zu beschneiden, der Sand wird in bestimmten Mustern geharkt. Darüber hin­aus hat der Garten auch seine Bedeutung für die Meditation. Viele Karesansui-Gärten sind zumin­dest unter Mitwirkung von Zen-Mönchen geschaf­fen worden und somit auch Ausdruck ihrer Zen-Erkenntnis. Vielfach betreiben Mönche, dem Gar­ten zugewandt, die Meditationsübung des Zen – das zazen. Der Garten kann so, ähnlich wie es von be­stimmten Tuschbildern bekannt ist, als stimulie­rendes Hilfsmittel der Zen-Erkenntnis dienen.

Wichtig ist es vor allem, diesen Garten als Lösung eines Raumproblems zu sehen. Nicht etwa eine perspektivische Illusion steht dabei im Vorder­grund, vielmehr geht es um die Verteilung der Gewichte im Garten, um das Verhältnis von lee­rem Raum, in Form des weißen Sandes zur Materie in Form der Steine. Dieses Verhältnis ist durch ein harmonisches Konzept geprägt, das im chinesisch inspirierten Yin-Yang-Denken begründet liegt und in abendländischen Denktraditionen nicht fassbar ist. Der Garten als Spiegel des Kosmos So stel­len die 15 Steine in der 3-5-7-Formation einen Teil des Lo-shu einem der altchinesischen Kosmologie zugrundeliegendem Denkmodells dar.

Die Vorstellung dieses Diagramms reicht weit in die chinesische Frühzeit zurück, war dann aber lange verschollen und tauchte erst wieder in der Sung-Zeit ( 10. -12.Jhdt.) auf. Im Zusammen­hang mit der Vermittlung der chinesischen Sung-Kultur durch Zen-Mönche gelangte auch das Lo-shu in den Bereich der japanischen Gartenkunst. Es kann nicht verwundern, daß gerade ein solches Modell, das mit neun Zahlen die Totalität des Kosmos ausdrücken will, im Karesansui-Garten aufgegriffen wurde, der seinerseits in höchst ab­strakter Weise als kosmische Chiffre zu verstehen ist.

Hier wird eine total andere Auffassung von Raum als in Europa deutlich, zugleich zeigt sich der enge Konnex zwischen Malerei und Gartenkunst. Denn der Unterschied zwischen der Zweidimensionalität des Bildes und der Dreidimensionalität in der Gar­tenkunst ist in Bezug auf die Raumerfahrung nur von untergeordneter Bedeutung. Wichtig ist, dass es bei dieser Raumerfahrung nicht primär um Tie­fenwirkung geht, sondern um die harmonische Verteilung der Gewichte im leeren Raum. Gemein­sam ist diesen Kunstwerken eine spontane, regel­freie, nicht quantifizierbare Harmonie.

Die wesentlichen Fixpunkte einer Ästhetik des Zen lassen sich im Karesansui exemplarisch aufzeigen:

Die Verteilung der Steine im leeren Raum ver­wirklicht das Konzept einer assymmetrischen Harmonie. Die radikale Beschränkung auf der Ma­terialebene bezeugt eine konsequente Reduktion. Die Patina der Steine, ihre Fleckigkeit, drückt eine Erhabenheit des Alters aus. In der Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der die Steine – wie hingeworfen – im Garten platziert sind, äußert sich Natürlichkeit, welche das Ergebnis genauer Pla­nung und eines dezidierten Kunstwillens ist.

Abkehr von äußerlicher Schönheit liegt im Ver­zicht auf jegliche Pracht, wie sie zum Beispiel in der Wirkung von Blüten oder in exquisitem Stein­material liegen könnte. Die überaus große Be­scheidenheit bei der Gestaltung eines Gartens, der so gar nichts von einem Statussymbol an sich hat, drückt eine bewusste Weltabgewandtheit aus. Der meditative Grundcharakter des Karesansui, dem sich kein Betrachter entziehen kann, markiert Stil­le als ein weiteres wesentliches Element. Spon­ta­neität wäre darin zu sehen, dass der Garten wahr­scheinlich als Realisierung der inneren Vision des Gartenkünstlers in relativ kurzer Zeit geschaffen wurde.

Ein Verzicht auf Symbolik wird dadurch offen­kundig, dass man in den Elementen des Gartens keineswegs Symbole für Dinge anderer Seinsquali­tät sehen kann. Ein Stein ist hier ein Stein und drückt als solcher die gesamte kosmische Wahrheit aus. Abstraktion schließlich bedeutet in diesem Steingarten sowohl die nicht-gegenständliche Dar­stellungsform als auch eine Bezogenheit auf ab­strakte, metaphysische Werte.

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Bildquellen

  • ZEN_(640_x_480): Bildrechte beim Autor
  • ZEN-2_(640_x_480): Christian Patzl