Baumschnitt_(320_x_240)Nun ist sie wieder da, die Zeit in der viele Nachbarn und Kommunen den Bäumen zu Leibe rücken. Spätwinter ist Baumschnittzeit – oder? Vielleicht betrachten wir mal ein wenig die Frage – oder?

Das Bäume im öffentlichen Raum oder in Gärten von Zeit zu Zeit einer gewissen Begutachtung und Bestandsaufnahme unterstellt werden, steht sicher außer Frage. Schließlich geht es um die Sicherheit von Menschen und Objekten. Das andererseits aber jährlich die Bäume unbedingt ausgeschnitten werden müssen, ist gelinde gesagt Schwachsinn und hilft dem Baum nur, sich Krankheiten in Form von Pilzen und anderen Schädlingen einzufangen.

Wer wirklich Bäume pflegen will/muss, wird abgesehen von der richtigen Standortwahl schon beim Setzen, dann später nicht fortschreitend an dem armen Geschöpf herumschnipseln. Vielmehr wird man schon während des Wachstums auf eine guten Wuchs und etwaige Hindernisse achten – und damit entsprechende Schnittmaßnahmen setzen. Benachbarte Bäume sind hier kein Thema, denn Bäume lieben und brauchen die Nachbarschaft anderer. Einen Baum nur einzeln zu betrachten muss nach heutigem Wissensstand als überholt angesehen werden. Bäume bilden Kolonien und Gemeinschaften und sind insgesamt sehr komplexe Lebewesen. Leider wird gerade dies, auch von Gärtnern und Baumsachverständigen, nicht selten vergessen.

Jede Wunde die größer als etwa 6 – 8 cm ist, kann auch für einen gesunden und vitalen Baum zu einer Problemzone werden. Wobei wir gleich zur Frage des Schnittzeitpunktes kommen. Bäume schneiden, so man es muss, kann man das ganze Jahr über. Besser ist die Zeit, wo der Saftfluss gewährleistet ist und der Baum Wunden dadurch besser abzuschotten im Stande ist. In der Winterzeit ist dies aus biotechnischen Gründen somit weniger der Fall. Hier ist der Saftfluss infolge der nicht vorhanden Blätter und der Frostgefahr auf ein Minimum reduziert. Pilzsporen, vom Wind verfrachtet, haben somit leichtes Spiel, denn die Abwehrmechanismen sind, ebenso im Sparmodus. Des weiteren sollte während der Blüte auf den Baumschnitt verzichtet werden, denn auch hier hat der Baum gerade quasi alle Hände voll zu tun und die Wundversorgung würde nur eine Beeinträchtigung der Vitalität nach sich ziehen.

Ein Punkt der ebenso oftmals wenig Beachtung findet ist die Statik des Baumes nach dem Schnitt. Bekannter Maßen bildet der Baum je nach Angriffsfläche des Windes, sowie seiner Statur und Ausladung entsprechende Wurzeln aus. Ändert sich dieses Gefüge durch den Wegfall von Baummasse durch Schnittmaßnahmen kann schon die nächste stärkere Windbö verheerende Wirkung zeigen.  Deshalb ist immer auf ein ausgewogenes Erscheinungsbild des Baumes zu achten und Form seines spezifischen Habits zu berücksichtigen.

Zu den oben erwähnten Schnittmaßnahmen noch eine kleine Geschichte. Durch einen mir bekannten Garten lief eine oberirdische elektrische Versorgungsleitung. In dem Garten befanden sich auch größere und ältere Obstbäume, die schon vor der Leitung da waren, nun aber durch diese beeinträchtigt waren. Jedes Jahr etwa Februar oder Anfang März kamen nun Arbeiter des Energieversorgers und inspizierten die Leitungen. Manchmal wurden dabei auch der eine oder andere Ast beseitigt. Soweit so gut, allerdings wurde dann plötzlich jedes Jahr herum geschnitten und auch Äste entsorgt, die nicht im Entferntesten mit den Leitungen in Berührung kommen konnten. Die Arbeiter, daraufhin vom Gartenbesitzer zur Rede gestellt, meinten, sie müssten ihrem Chef sozusagen einen Arbeitsbeweis in Form von einer entsprechenden Menge abgeschnittener Äste vorlegen, da sie sonst ihren Job verlieren würden. Der Baumschnitt erfolgte somit nicht mehr aus Gründen der technischen oder biologischen Notwendigkeit, sondern aus rein oberflächlich wirtschaftlichen Überlegungen, ob die Ausgaben für den Arbeitstrupp gerechtfertigt sind oder nicht.

Leider kann man heute so ähnliche Geschichten hinter vielen Baumschnitt bzw. Baumpflegeaktionen in den Kommunen vermuten, wenn man sich ein wenig umsieht. Überall, selbst in weitläufigen Grünflächen wird nun mittels fahrbaren Arbeitsplattformen bis auf 10m und darüber auf- und entastet. Denkt man über den Sinn dieser neuen Beschäftigung nach, so bleibt nur, dass die Anschaffung von Steigegeräten, Sicherheitsvorkehrungen uam., sowie das Personal Kosten trägt. Und die brauchen für den Verantwortlichen in der Finanzabteilung einen sofort sichtbaren Effektivitätsbeweis – in diesem Fall leider Wunden und Schäden an den Bäumen, sowie eine Ausreichende Menge an abgeschnittenen Baummaterial. Von vorausschauender und nachhaltiger Pflege kann hier nicht mehr die Rede sein. Wenn weiter nach solchen Kriterien vorgegangen wird, werden wir über kurz oder lang, keine älteren Bäume mehr in unserem Umfeld haben. Die damit zusammenhängende Beeinträchtigung der Umwelt (CO2-Zuwachs usw.) deren Teil und auf die wir angewiesen sind wird völlig außer acht gelassen.

Ein solcher Umgang mit der umgebenden Natur ist stark zu hinterfragen und abzulehnen. Als Gärtner und Gartenliebhaber leben wir mit und von unseren Bäumen. Ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen ist unser höchstes Ziel, und daran denken wir bei unserer nächsten Baumpflegeaktion, damit diese diesen Namen auch wirklich verdient.

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Bildquellen

  • Baumschnitt_(320_x_240): Christian Patzl