Zazen und christliche Meditation

Es gibt aber trotz größter prinzipieller Verschie­denheiten doch auch Entsprechungen in der christ­lichen Weltanschauung. Gerade die Sicht auf die christlichen Mystiker wird uns dem Verständ­nis des Zen-Buddhismus näher bringen.

Wenn man von christlicher Betrachtung oder Me­ditation spricht, so denkt man gewöhnlich an eine Art des betrachtenden Gebetes, das eine religiöse Wahrheit, ein Schriftwort oder ein Ereignis aus dem Leben Christi oder eines Heiligen zum Gegen­stand hat. Man denkt darüber nach, reflektiert und zieht eine Lehre daraus, woran sich ein Zwiege­spräch mit Gott, Christus oder den Heiligen, also ein Gebet im eigentlichen Sinne anschließt. Diese Art der Betrachtung oder Meditation ist auch bis zur Gegenwart im christlichen Bereich die ge­bräuchlichste. Sie wird im weiteren Text mit Be­trachtung wiedergegeben.Bei den östlichen Religionen Hinduismus oder Buddhismus, wird Meditation meistens etwas an­ders verstanden. Im Zen ist für das zazen, das etwa der Betrachtung im christlichen Bereich entspricht nicht einmal das Wort Meditation, geschweige denn Betrachtung gebräuchlich. Die Bezeichnung Zen-Meditation, die man neuerdings bisweilen auch in japanischen Texten findet, kommt vom Ausland.

Es ist aber ein Irrtum zu glauben, daß die Betrach­tung im oben erklärten Sinn die einzige, im Chri­stentum übliche Betrachtungsweise sei. Die Vikto­riner unterscheiden z. B. da, wo sie von Betrach­tung bzw. Meditation sprechen: Denken, Be­trachtung und Schau cogitatio, meditatio, con­templatio. In ähnlicher Weise unterscheidet Ignati­us von Loyola in seinen Exerzitien : Überlegung consideratio, Betrachtung meditatio, Beschau­ung contemplatio. Auch heute ist eine Dreitei­lung der verschiedenen Betrachtungs- oder Medi­tationsweisen gültig, nämlich: Betrachtung, Medi­tation und Beschauung im eigentlichen, d. h. streng mystischem Sinne. Im Weiteren werden wir uns jedoch auf die Betrachtung und Meditation be­schränken. Lesen Sie weiter